1 – Karo auf dem Hopfenlehrpfad

Ein ganz normaler Tag im Wahnsinn

Mein Leben mit Karo, dem Labradoodle

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Es ist früh am Morgen, der Tag hat jede Chance, ein guter zu werden. Die kleine Delle, die er erhält, als ich beim dreitausendsten morgendlichen Zieh-Dich-bitte-an-Kampf mit meinem vierjährigen Sohn die Fassung verliere und infernalisch brülle, kann er wegstecken. Hoffe ich.

Ich bin guten Mutes: Die Schleppleine hab ich diesmal nicht vergessen, die Sonne blinzelt mich an und ich begebe mich voller Hoffnung auf nette Mensch- und Hundbegegnungen mit Karo am Schlepp auf den Weg zum Hopfenlehrpfad.

Der Hopfen steht schon halbhoch, es ist Frühsommer. Der Spazierweg hält es für eine besonders lustige Herausforderung an mich, alle zweihundert Meter eine Kurve zu beschreiben, was normalerweise bedeutet: Karo abrufen – mich ärgern, dass er mich ignoriert – nochmals versuchen – nach weiterer Ignoranz seinerseits abrupt die Gegenrichtung einschlagen – hoffen, dass er kommt. Tut er es nicht, ihn herbeilocken, anleinen, mich bis zur Kurve zerren lassen. Wenn die Bahn frei ist, den Hund wieder laufenlassen (man will ihm ja den schönen Spaziergang nicht versauen). Das ist die gute Variante.

Die schlechte Variante: Hund hebt elektrisiert den Kopf – Hoffnung auf Abrufbarkeit im Keim erstickt – um die Ecke kommt ein Spaziergänger/Jogger/Radfahrer/Hund. Karo, zutiefst begeistert, rast los wie der Blitz, wirft sich mit seinen energiegeladenen 23 Kilo auf das entgegenkommende Lebewesen. Egal, ob es das will oder nicht. Egal, ob ich in der Folge beschimpft werde oder nicht. Karo ist die pure Lebensfreude – dagegen kommt man nicht an.

Diesmal aber bin ich bestens vorbereitet. Hocherhobenen Hauptes latsche ich los, stolpere auf den ersten fünfzig Metern aufgrund der sich um meine Beine verwickelnden Schleppleine nur zweimal. Niemand in Sicht, die Sonne scheint, Karo frisst ein Stückchen Rehkacke, alles ist gut. Rehkacke macht durstig, er schlabbert ein paar Schluck Dreckwasser aus dem Graben, ich ziehe ihn hoch, während ich berechne, wie viele Minuten mir bis zu seiner daraus resultierenden unvermeidlichen Durchfallattacke bleiben.

Karo blickt sich um, kommt nicht endlich mal jemand?! Wir beide erblicken den heranrasenden Simba im gleichen Moment. Simba, ein Goldendoodle, hat geschätzt 30 Kilo und – wenn das überhaupt möglich ist – fast noch mehr Energie als mein Verrückter. Er wirft sich, ein riesiger, weißer Fellball, mit höchstmöglicher Wucht und Freude auf meinen vergleichsweise kleinen Beigen, der in Bruchteilen von Sekunden zu einem speichelschleudernden Hochgeschwindigkeitsglückshund mutiert. Bis das etwas lahme, in Nordic-Walking-Dress gehüllte Herrchen der Hundekanone am Ort des Geschehens anlangt, hat sich Simba bereits hoffnungslos in Karos Schleppleine verwickelt – die schwarze Schnur hat ihn zu einem knurrenden, genervten, kompakten Paket zusammengeschnürt.

Mit brillanter Beobachtungsgabe gesegnet, kommentiert Nordic: „Och. Der Simba is total verwickelt.“ Diese Feststellung unterstreicht er mit hilflosen Armbewegungen. Ich, ganz die verantwortungsvolle Hundebesitzerin, werfe mich zwischen die beiden Hunde und beginne, mit acht wild zuckenden und hüpfenden Beinen kämpfend, die Schnur zu lösen. Es gelingt, ich bin ab Brust abwärts matschbraun – das komplette Feld hängt an mir dran.

Ein Blick des Nordic Herrchens genügt – ich hake die Leine los. Sollen sie rasen, die beiden. Wer bin ich, da mit einer Schleppleine die Spaßbremse zu spielen?

Die Spaßbremse kommt auf einem ohrenbetäubend lauten Mini-Motorrad mit ca. 60 km/h von links angeknattert. Der kräftige junge Mann, der auf meine panischen Oh-Gott-bitte-fahr-langsamer-Handzeichen nicht reagiert, kommt stattdessen direkt neben uns mit einer Vollbremsung zum Stehen, steigt mit kampfeslustig geschwellter Brust ab und wackelt, muskelbepackterweise nicht zu einer geraden Gangart in der Lage, auf Nordic zu, der ihn sofort scharf zurechtweist. Der Testosteronträger öffnet den Mund, aus dem aggressive Laute und schließlich handfeste Drohungen entweichen. Ich sehe den Kampf kommen. Bereit, der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen, begebe ich mich in Angriffshaltung.

Und ich bin nicht alleine! Hier sind unsere Hunde! Sie müssen quasi Kraft ihrer Daseinsberechtigung den Kampf aufnehmen und uns, ihre Futterquelle, mit ihrem Leben schützen! Die zwei haben die Situation durchaus im Blick. Karo schaut einmal kurz zu mir, als wollte er sagen: „Super ist das, Frauchen! Macht ihr mal euer Ding, wir machen unseres.“ Machen wir. Danke.

Die Schlägerei ist ausgeblieben, wenn auch nur fast. Nach zahlreichen „Ich zeig dich an, Burschi!“-Drohungen vonseiten Nordic ist das Bübchen davongeknattert. Erleichterung macht sich breit, sogar Nordic legt seine Stecken befriedet auf den Weg. Ich entspanne mich, denke gerade darüber nach, wie ich meinen Rüden einfangen könnte, als mein Blick nach rechts fällt.

Ein Spaziergänger. Ein männlicher Spaziergänger, in den Fünfzigern. Im Sakko.

IN EINER HELLBEIGEN WILDLEDERHOSE.

Karo blickt ebenfalls nach rechts. Und dann startet er durch.

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Geschrieben von Regina Stein.